Montag, 4. Juni 2007

Interview (gekürzte Fassung)

Zwischen Markus Tember von „Schattenmatch“ und Susann Zschau von „Project Nekro“.

MT: Hallo Susann. Schön dich mal wieder zu sehen.
SZ: Ganz meine Meinung.
MT: Womit wollen wir beginnen? Vielleicht damit, dass sich euer musikalischer Stil geändert hat? Wenn ich mich recht erinnere, habt ihr mit Metal angefangen? Und heute?
SZ: Es hat sich im laufe der Zeit einiges geändert. Nicht nur der Bandname und die Besetzung. Wir sind tatsächlich in den letzten 1 ½ Jahren vom Metal und Hardrock zum Industrial-Gothic geschlittert. Frag mich bloß nicht, wie das passieren konnte.
MT: Doch. Genau das wollte ich jetzt von dir wissen.
SZ: Ich weiß es wirklich nicht. Phasenweise, so kommt es mir zumindest vor, befinde ich mich auf einem anderen Planeten. In diesen Abschnitten bin ich nicht mehr ich selbst. In dieser Zeit höre ich zum Beispiel privat eine andere Art von Musik, ich betrachte mein Umfeld noch kritischer als sonst, Freunde und Bekannte werden mir fremd, Farben greifen mich an, Geräusche empfinde ich lauter, als sie eigentlich sind. Es ist wie eine leichte Schizophrenie. Ich bin ein anderer Mensch und in solchen Momenten stelle ich Kontakte zu anderen Stilrichtungen her. Ganz unbewusst. Ich denke auf anderen Ebenen, ich bekomme kreative „Anfälle“, ich werde überschwemmt von neuen Ideen und sehe mich in anderen Aufgabenbereichen. Ja, ich denke, nur so kann man den musikalischen Wandel plausibel erklären.
MT: Leichte Schizophrenie? Klingt beängstigend. Ändert sich auch deine Persönlichkeit, wenn du diesen Wandel durchlebst?
SZ: Wenn du auf meine charakterlichen Grundzüge anspielst, kann ich das ganz klar mit einem „nein“ beantworten. Die lege ich nie ab und ich habe es auch in Zukunft nicht vor. Scheißegal,  in welcher Wolke mein Kopf steckt. Ich bin Ich und das kann man nicht so einfach abstellen oder im Bettkasten verstecken.
MT: Welche Charakterzüge meinst du insbesondere. Kannst du das näher erklären?
SZ: Natürlich. Ich würde zum Beispiel nie so etwas von mir geben, wie „Jetzt hätte ich aber Bock auf ein Steak. Mmmmm, lecker, lecker.“
(abfälliges Gelächter)
Wenn das jemals geschehen sollte, darfst du mich höchstpersönlich in die nächste Klapse einweisen. Dann kannst du dir sicher sein, dass der letzte intakte Draht auch noch durchgeschmort ist. Super-Gau im Großhirn. In den Pupillen blink es nur noch: Tilt! Tilt! Game over! For now and forever – fuck off! Ich nehme an, deutlicher Ausdrücken kann man sich  nicht.
MT: Kommen wir noch mal zur Musik. Ist das Experimentieren mit einer euch unbekannten Stilrichtung nur ein kurzfristiges Vergnügen oder steckt ihr in einem kompletten Umwandlungsprozess?
SZ: Wenn Tag X anbricht, weiß ich erst tausendprozentig, wie ich den Weg weitergehen möchte oder ob ich ihn überhaupt gehen möchte. Die Ideen existieren meistens ein Jahr vorher schon in meinen Schädel, ganz gleich um welche Kunstform es sich handelt. Ich muss nur geduldig auf den perfekten Zeitpunkt warten, um sie in die Freiheit zu entlassen. Ich würde sagen, damit das Thema abgeschlossen werden kann, ich bleib erst mal bei tinnituserzeugenden  Synthesizertönen. Ich hatte schon lange das Bedürfnis, mich in einem spacigen Stil auszutesten. Gib mir eins, zwei Jahre, dann werden höchstwahrscheinlich wieder Riffs und Akkorde ihren Vorrang haben.
MT: Wie stets so privat? Hat sich irgendwas Gravierendes verändert?
SZ: Ich hab dir das letzte Mal schon gesagt, das geht dich einen Scheißdreck an.
MT: Hey, nimm mir das nicht übel. Ein Versuch war es wert.
SZ: Schon gut.
MT: Okay. Dann lass uns mal über die Zukunft von deinem hauseigenen Label sprechen. Was ist so in Planung?
SZ: Nicht wirklich viel. Momentan versuche ich etwas mehr in mir zu ruhen, um neue Kraft zu finden und mich inspirieren zu lassen. Die letzten Monate waren für mich ziemlich belastend. Nichts hat wirklich so funktioniert wie es sollte. Stress mit Kollegen, mit Behörden, Stress, den ich mir beabsichtigt selbst zugeführt habe. Ich dachte schon an eine Auszeit, so für ein oder zwei Monate alles hinschmeißen. Aber wenn ich nichts zu tun habe, bin ich überhaupt nicht erträglich. Und das kann dann sehr unangenehm werden. Ich kritisiere alles und jeden, denke zuviel nach und in die falschen Richtungen, ich kann mich dann Wochenlang nicht dazu aufraffen, aus dem Haus zu gehen oder meinen eigenen Wohnraum sauber zu halten. Und wenn man erst mal an diesem Nullpunkt ist, kommt einem der Weg in die Normalität unüberwindbar schwer vor. Ein paar Ideen sind aber doch schon irgendwo im Hinterkopf gespeichert. Ich habe vor, mit einer neuen Staffel von Fotoserien zu beginnen. Ich werde mich auf jeden Fall einige Schritte von den Romantikmotiven entfernen. Location und Modelle sind aber noch nicht konkret vorhanden. 
MT: Hast du dir schon über die Thematik Gedanken gemacht?
SZ: Ja. Ich werde sehr viel härtere Themen anschneiden. Nekrophilie, Pädophilie, Mord- und Todschlag aus diversen Gründen. Ich möchte an dieser Stelle nicht überschwänglich ins Detail gehen. Es ist ja alles noch im Entstehungsprozess. Die Ideen sind noch nicht ganz ausgereift und wann ich damit beginnen werde, steht auch noch in den Sternen. Auch habe ich vor, mich in einer ganz neuen Richtung auszuprobieren. Ich wollte mich wieder ernsthaft dem schreiben widmen und ich meine dieses mal nicht „Ghostwriting“. Eventuell versuche ich mich mal an ein paar Kurzgeschichten.
MT: Bist du auf diesem Gebiet deinem Stil treu geblieben? Ich kann mich an die Texte im „Orkus“ erinnern.
SZ: Das, was im „Orkus“ zu lesen war, waren keine Kurzgeschichten. Ich würde so etwas eher Textfragmente nennen. Nein, wenn ich ernsthaft mit dem Schreiben beginnen würde, käme etwas dabei heraus, was man getrost als Taschenbuch oder als Hörspiel veröffentlichen könnte. Allerdings müssten sämtliche Projekte erst mal auf Eis gelegt werden, denn die Kunst des Schreibens ist immer wieder sehr zeitraubend. Auch habe ich damals im „Orkus“ ein Pseudonym benutzt. Darauf würde ich dieses Mal verzichten.