Liebe gutaussehende und intelligente Leser,
ihr habt es natürlich bereits geahnt: Was man anfängt, muss
man auch zu Ende bringen. Getreu dieser Maxime, an dir wir uns ja selten genug
halten, heute aber dafür umso mehr, kredenzen wir euch in bester
E.G.O.-Tradition einen zweiten Heißmacher. Hinter dem klangvollen Namen „…am Ende schweigt der Planet“ verbirgt
sich nichts anderes als die allerletzte Geschichte von „Fräulein Agonie
erwachte, als Jüngling Kraft im Sturm erlosch“, die es ganz schön in sich hat.
Davon könnt ihr euch bereits jetzt in
unserer zweiten Leseprobe überzeugen. Wir hoffen, sie findet euer Wohlgefallen.
Mit aufgeregtem Winken,
das Team
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... Mir schwinden die Kräfte, weil ich mir immer wieder
vorhalte, dass ich der letzte Mensch der alten Welt bin und ich nie von der
Neuen akzeptiert werde. Ich darf nicht einmal wagen, auf Toleranz zu hoffen.
Wenn mein Körper alt und verbraucht ist, dem Untergang geweiht und in einen
anderen Zustand versetzt wird, dann werden nie wieder Kreaturen wie
meinesgleichen mit ihrer Anwesenheit das kosmische Auge beleidigen. Aber
vielleicht bekommen wir noch eine Chance. Vielleicht müssen erst eine Million
Jahre vergehen, bis man uns verziehen hat. Dann wird das Universum das
Schicksal von Terra Secundus wieder mal in die Hände der Evolution legen und
darauf hoffen, dass die neue Spezies nicht dieselben Fehler macht. Sie wird
sich für eine künstliche Selektion entscheiden, androgyne Wesen mit
lichtempfindlicher Haut. Schwacher Knochenbau, unterentwickelte Sprache,
Muskelgewebe wird so gut wie nicht vorhanden sein. Sie werden nur über eine
begrenzte Anzahl von Gehirnzellen verfügen. Die Furcht vor ihrem Umfeld wird
sie im Zaum halten und zu einem ständigen Begleiter. Sie werden sich kaum aus
dem Schatten der Bäume wagen, mit totem Laub bedecken und sich von
herabfallenden Früchten ernähren. Wenn es dem Homo sapiens nochmals gestattet
wird, sich auf einem perfekten Planeten aufhalten zu dürfen, dann nur mit
diesen körperlichen und geistigen Einschränkungen. Nichts in den Weiten des
Alls wird es je wieder zulassen, dass ein Himmelskörper unter einer Rasse zu
leiden hat bis zu seiner totalen Zerstörung. Eine seuchenfreie Zone wurde in
ein Sonnensystem hinein geboren und der Mensch, so wie ich ihn verkörpere, darf
hier keinen Platz mehr finden.
Das ist der Moment, in dem ich einen Wunsch frei haben
möchte. Er wird, wie von einer Schrapnellladung getroffen, in Fetzen gesprengt
und rinnt mir aus dem zerrissenen Schädel. Ich erkenne wehmütig, dass mein
Dasein nicht gerechtfertigt ist und es auch nie sein wird. Ich erkenne
weiterhin, dass alles Leben hier auch ohne mich existieren kann und ich nicht von
Belang bin. Ich werde mir meiner eigenen Unwichtigkeit bewusst und will mit
dieser Last nicht weiter vorhanden sein. Nicht so. Nicht in menschlicher Form.
Ich kann es drehen und wenden wie ich möchte, ich bin und
bleibe nur eine Anordnung von DNA-Strängen, ein Irrtum der Evolution,
genmanipuliertes Fleisch, ein Exponat verwesender Biomasse, eine
generationsübergreifende Seuche. Ein Wasser-, Protein- und Fettgemisch, das der
Natur nur als Mineraldünger von Nutzen ist. Gewissenlos. Reuelos. Unfähig, sich
ins Leben einzureihen. Unfähig, zu lernen. Frei von Einsicht. Alles verzehrend.
Ein Partikelchen im Nichts und dennoch eine Plage.
Der eine Wunsch, der sich mit Adlerkrallen an meine Seele
klammert und mit Wolfszähnen mein Herz zerfleischt, wächst zu einem Geschwulst
heran, streut Metastasen, wuchert in lebenswichtigen Organen und vergiftet sie.
Da ich noch immer nicht zu sprechen wage, aus Respekt vor dem zerbrechlichen
Säugling, werde ich mein Begehren den Gedanken überlassen.
Ich stehe mutig erhobenen Hauptes auf, lege den Kopf in den
Nacken, die Arme ausgebreitet. Das Individuum, welches seine Nichtigkeit
akzeptiert und dem Tod zustimmt. Ich beobachte, wie der erste Stern aufgeht und
das Himmelszelt sanft erleuchtet. Tag eins ist bereits Vergangenheit und einen
weiteren auszukosten verdiene ich nicht. Sehnsüchtig träume ich mich in die
Arme von Herrin Fortuna und fordere lautlos das Universum heraus. Es soll
erneut Stürme schicken, die mich hinfort heben, Krater in die Erde reißen,
damit ich in den Höllenschlund zu den anderen stürze, die Meere anschwellen
lassen, so dass die Wellen über den Berg schwappen, sich an ihm brechen und
mich davon tragen. Die schäumende Gischt möge mich ersticken, die Gezeiten aufs
offene Gewässer hinaus schwämmen und mich ertränken. Auch könnte die
Südhemisphäre mich zerquetschen mit ihren muskulösen Händen. Mir ist es gleich,
wie es geschieht. Nur irgendetwas soll mich vom Angesicht der Erde wischen.
Auch könnte Gott, wenn er hier noch verweilt und gnädig ist,
meinen Lebensfaden kappen. Skalpell, Dolch, Lanze und Speer sind nicht nötig,
um dieses Gebilde, das Werkzeug des Bösen, auszulöschen. Ein kosmischer
Fingerzeig genügt und das letzte verwirkte Leben erlischt. Der Tod kann
barmherzig sein. Besonders, wenn man als Mensch geboren wurde und erkannte,
dass man nie einen Lebensberechtigungspass für diesen Planeten ausgestellt
bekam...